„Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ Dieses Zitat von Philip Rosenthal, dem Gründer der berühmten Porzellanmanufaktur, könnte das Motto moderner Führungskräfteentwicklung sein. Doch wie sieht dieses „Besserwerden“ heute aus? In unserer letzten Good Morning L&D Session gingen wir dieser Frage auf den Grund.
Eine sich immer rasanter wandelnde Welt stellt die Führungskräfteentwicklung weltweit vor neue Herausforderungen. Wie gestalten führende Unternehmen ihre Leadership-Programme, um Schritt zu halten? In unserer jüngsten Session gewährten uns drei erfahrene Expert:innen wertvolle Einblicke:
- Matthias Reuter, Global Head of Siemens Leadership Experience, teilte seine Erkenntnisse aus der Transformation der Führungskräfteentwicklung bei einem der weltweit führenden Technologiekonzerne.
- Christine Bohmann, verantwortlich für Leadership Development und HR Development bei Miele, brachte ihre Perspektiven aus einem traditionsreichen Familienunternehmen ein, das sich den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt stellt.
- Komplettiert wurde das Expertenpanel durch Katrin Steinbüchel, Global Head of HR Strategy Employee Experience bei Henkel, die ihre Erfahrungen aus der Gestaltung von Leadership-Programmen in einem global agierenden Konsumgüter- und Industrieunternehmen teilte.
Neue Anforderungen an Führungskräfte
Die Rolle von Führungskräften hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Matthias Reuter von Siemens betont: „Wir sehen eine nie dagewesene Transformation. Im Mittelpunkt stehen für mich Menschen.“ Diese Transformation erfordert neue Kompetenzen, die weit über traditionelle Führungsqualitäten hinausgehen.
An erster Stelle stehen dabei Empathie und emotionale Intelligenz, die es Führungskräften ermöglichen, die Bedürfnisse und Motivationen ihrer Mitarbeitenden besser zu verstehen und darauf einzugehen. Ebenso wichtig sind Adaptabilität und Lernbereitschaft, denn in unserer sich ständig weiter drehenden Geschäftswelt müssen Führungskräfte flexibel bleiben und kontinuierlich dazulernen.
Auch ist strategisches Denken in komplexen Umgebungen gefragt, um den Überblick zu behalten und fundierte Entscheidungen treffen zu können. Christine Bohmann von Miele ergänzte diesen Gedanken mit einem ganzheitlichen Ansatz: „Wir fokussieren uns auf einen Dreiklang: Selbstwirksamkeit stärken, Kollaboration fördern und strategische Fähigkeiten entwickeln.“ Dieser Ansatz unterstreicht die Notwendigkeit, Führungskräfte nicht nur in ihren fachlichen, sondern auch in ihren persönlichen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten zu fördern.
Innovative Ansätze in der Führungskräfteentwicklung
Die Teilnehmenden des Panels waren sich einig, dass starre Entwicklungsprogramme der Vergangenheit angehören. Stattdessen setzen sie auf flexible, situative Ansätze, die den modernen Anforderungen an Führung gerecht werden.
Siemens beispielsweise hat die „Growth Talks“ eingeführt – regelmäßige Entwicklungsgespräche, die klassische jährliche Leistungsbeurteilungen ersetzen und einen kontinuierlichen Dialog über Wachstum und Entwicklung ermöglichen.
Henkel hingegen arbeitet mit „Leadership Commitments“, die als Nordstern für Führungsverhalten dienen und klare Erwartungen an Führungskräfte formulieren.
Miele hat einen ähnlichen Weg eingeschlagen und „Leadership Principles“ entwickelt, die eng mit der Unternehmenskultur verknüpft sind und so eine konsistente Führungsphilosophie im gesamten Unternehmen fördern.
Katrin Steinbüchel von Henkel bringt es auf den Punkt: „Es geht darum, die Umgebung zu schaffen, in der Menschen die Möglichkeit zum Lernen haben.“ Dieser Ansatz unterstreicht die Bedeutung einer lernfreundlichen Unternehmenskultur als Grundlage für erfolgreiche Führungskräfteentwicklung.
Individualisierung und Kontinuität
Ein zentraler Trend ist die Abkehr von „One-Size-Fits-All“-Ansätzen. Stattdessen wird auf individuelle Entwicklungspfade und kontinuierliches Lernen gesetzt. Christine Bohmann erklärte: „Wir sind nie fertig als Führungskräfte. Das geht immer so weiter.“
Coaching und Selbstreflexion spielen dabei eine wichtige Rolle. Katrin Steinbüchel sagte: „Coaching hat bei uns mittlerweile einen relativ großen Stellenwert eingenommen. Heute stellt sich unser CEO hin und sagt: ‚Hey, wir machen das mit dem Coach zusammen.'“
Messung und Incentivierung
Die Messung von Entwicklungsfortschritten bleibt eine Herausforderung, der sich alle Panelteilnehmenden bewusst sind. Matthias Reuter teilte Siemens innovativen Ansatz: „Wir haben ein Ziele-Framework namens Degree. Eine Dimension davon ist Employability, wo wir Lernstunden messen und in unser Incentive-System einfließen lassen.“
Katrin Steinbüchel ergänzte diesen Punkt mit ihrer Erfahrung: „Wir haben das letztes Jahr dann auch durch eine weitere Befragung der Mitarbeiter gemacht: ‚,Wo seht ihr noch den Raum, den es zu entwickeln gilt?'“ Sie betonte die Wichtigkeit, nicht nur von oben zu messen, sondern auch das Feedback der Mitarbeitenden einzuholen.
Globale vs. lokale Ansätze
Das Thema der Balance zwischen globalen Standards und lokalen Anpassungen ist komplex und könnte eine eigene Session füllen. In unserer Diskussion wurde deutlich, dass alle drei Unternehmen vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Katrin Steinbüchel betonte: „Wir haben bestimmte Elemente, die sind auf der Welt gleich. Die machen alle Führungskräfte, neue Führungskräfte im mittleren Management – auch, wenn wir ins Top Executive Management gehen. Aber es gibt auch regionale Unterschiede.“ Sie erläuterte, wie Henkel beispielsweise in Deutschland spezifische Schulungen zur Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat anbietet, während in den USA andere regionale Schwerpunkte gesetzt werden.
Die Rolle der Unternehmenskultur und ein Blick in die Zukunft
Alle Teilnehmer:innen waren sich einig: Die Bedeutung einer lernfreundlichen Unternehmenskultur ist nicht verhandelbar. Das Vorleben durch das Top-Management ist dabei entscheidend – wie Katrin Steinbüchel es ausdrückt: „Wenn das Top-Management das macht, hat es eine gewisse Normalität und wird positiv konnotiert.“
Blicken wir in die Zukunft, sehen die Expert:innen vor allem in Technologien wie KI große Chancen für die Führungskräfteentwicklung. Gleichzeitig betonen sie die Wichtigkeit, den menschlichen Aspekt nicht aus den Augen zu verlieren – das kann schließlich keine KI der Welt ersetzen.
Fazit
Leadership Development befindet sich in einem faszinierenden Wandel. Flexibilität, Individualität und technologische Unterstützung sind die Eckpfeiler moderner Programme. Doch am Ende geht es immer um Menschen – um ihre Entwicklung, ihre Potenziale und ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg.
Vielen Dank an das großartige Panel und alle Teilnehmenden – ich freue mich auf die nächste Session mit euch!