Demokratie fördern heißt Zukunft sichern: Warum Ausbildung mehr als Fachwissen braucht
„Demokratie ist kein Selbstläufer – sie muss gelernt, gelebt und verteidigt werden.“
Ein starkes Statement, das gleich zu Beginn der GOOD MORNING L&D-Session fiel. Und eine klare Botschaft: Unternehmen können und müssen Verantwortung übernehmen. Denn wenn Demokratie in der Gesellschaft erodiert, betrifft das auch die Wirtschaft.
Doch wie bringt man Demokratieförderung in die Ausbildung – und das so, dass es wirklich funktioniert? Wie baut man Berührungsängste bei Ausbilder:innen ab? Und was können Unternehmen konkret tun? Siemens, Continental und IG Metall sind Vorreiter auf diesem Gebiet und haben bereits erfolgreiche Maßnahmen etabliert.
- Continental setzt im Rahmen der „Allianz der Chancen“ auf das Programm „Demokratie erleben“, das jungen Menschen die Grundlagen demokratischer Werte vermittelt und erlebbar macht.
- Siemens hat ebenfalls am Programm „Demokratie erleben“ teilgenommen, aber mit „Explore“ zusätzlich ein eigenes Format entwickelt, das demokratische Werte mit den Anforderungen der modernen Arbeitswelt verbindet.
- Die IG Metall hat Demokratieförderung in der Ausbildung als festes Thema in die Tarifverhandlungen aufgenommen, um sicherzustellen, dass es strukturell in den Betrieben verankert wird.
Damit wird klar: Demokratie ist nicht nur ein gesellschaftliches Thema – sie gehört auch in die Ausbildungspläne von Unternehmen. Und diese Vorreiter zeigen, wie es geht.
Warum Unternehmen Demokratieförderung nicht ignorieren können
„Ja, wir brauchen eine stabile, sozial-marktwirtschaftliche Demokratie! Denn ohne stabile Demokratie gibt es kein Wachstum und keinen Wohlstand.“
Dieses Statement stammt nicht aus einer politischen Talkshow, sondern von Roland Busch, dem CEO von Siemens. Und es bringt den Punkt auf den Tisch: Demokratie ist nicht nur ein politisches Konzept – sie ist die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg, Innovation und soziale Stabilität.
In der Ausbildung ist Demokratiebildung laut Jan Wilde (IG Metall) bisher eher eine Randnotiz. Doch die gesellschaftliche Debatte zu diesem Thema sei wichtiger denn je – und genau deshalb gehöre sie auch in die Betriebe.
Hanno Gieseke (Continental) machte deutlich, warum das Thema auch für sein Unternehmen zentral ist:
„Unsere Azubis haben Ängste – insbesondere in Bezug auf die weltpolitische Lage und Entwicklungen in anderen Ländern. Wir haben uns gefragt: Wie können wir sie unterstützen? Wie können wir ihnen helfen, sich in einer Demokratie zu orientieren?“
Junge Menschen kommen nicht nur wegen eines Berufs ins Unternehmen – sie bringen Fragen, Sorgen und Erwartungen mit. Sie wollen wissen, wie ihre Zukunft aussieht, und erwarten, dass Unternehmen sich zu gesellschaftlichen Themen positionieren. Wer als Arbeitgeber relevant bleiben will, kann dieses Thema nicht ignorieren.
Wie Unternehmen Berührungsängste abbauen und das Thema angehen
„Viele unserer Ausbilder:innen kommen aus dem gewerblich-technischen Bereich – sie haben tiefgehendes Wissen in Elektrotechnik oder Mechatronik, aber sind nicht unbedingt in Demokratiethemen oder Werten geschult.“
(Daniel Debudey, Siemens)
Diese Unsicherheit kennt man in vielen Unternehmen. Was genau löst Berührungsängste aus?
- Angst vor politischen Diskussionen: Viele Ausbilder:innen befürchten, dass Gespräche zu demokratischen Werten schnell in parteipolitische Debatten abrutschen könnten – ein Bereich, in dem sie sich nicht wohlfühlen oder neutral bleiben möchten.
- Unklarheit über die eigene Rolle: Bin ich hier nur Fachausbilder:in oder soll ich auch gesellschaftliche Themen vermitteln? Wo fängt meine Verantwortung an, wo hört sie auf?
- Widerstand von Azubis oder Kolleg:innen: Was, wenn jemand das Thema ablehnt? Was, wenn ich auf Gegenwind stoße?
- Unsicherheit, wie man das Thema praxisnah vermittelt: Wie bringe ich das Ganze so rüber, dass es nicht nach Frontalunterricht klingt?
Herausforderungen aus der Praxis: Was hat Unternehmen anfangs Schwierigkeiten bereitet?
Daniel Debudey (Siemens) sprach offen darüber, dass es in der ersten Phase des Programms vor allem Skepsis von den Ausbilder:innen selbst gab:
„Viele fragten sich: ‚Warum soll ich das machen? Ich bin doch kein:e Politiklehrer:in.’“
Diese Haltung zu verändern, war eine der größten Herausforderungen. Deshalb setzte Siemens auf einen Train-the-Trainer-Ansatz:
„Alle Konzepte, Workshops und Ideen, die wir entwickelt haben, durchlaufen wir mit den Ausbilder:innen, bevor sie mit den Azubis starten. So bekommen sie Sicherheit und erleben selbst, dass es nicht um politische Debatten, sondern um Werte wie Respekt, Vielfalt und Mitbestimmung geht.“
Auch Hanno Gieseke (Continental) berichtete von ähnlichen Herausforderungen:
„Unsere größte Hürde war, überhaupt erstmal die Notwendigkeit zu vermitteln. Dass es nicht nur um ein gesellschaftliches Nice-to-have geht, sondern dass es für die Arbeitswelt der Zukunft absolut relevant ist.“
Praxisbeispiele: So funktioniert Demokratieförderung in der Ausbildung
Continental: Demokratie erleben im Rahmen der Allianz der Chancen
Die Allianz der Chancen ist eine branchenübergreifende Initiative, die sich für eine soziale und wirtschaftlich stabile Arbeitswelt einsetzt. Im Rahmen dieser Initiative wurde gemeinsam mit Forever Day One das Programm „Demokratie erleben“ entwickelt.
Durch interaktive Module werden Themen wie Meinungsbildung, Partizipation und Medienkompetenz praxisnah erarbeitet, um junge Menschen für demokratische Werte zu sensibilisieren und ihre aktive Teilnahme an der Gesellschaft zu fördern.
Siemens: Das Explore-Programm zur Demokratieförderung
Siemens hat das Format „Explore“ entwickelt. Durch praxisorientierte Workshops und interaktive Lernmodule werden Themen wie Teamarbeit, Verantwortungsbewusstsein und gesellschaftliches Engagement behandelt.
IG Metall: Gewerkschaftliches Engagement für Demokratie in der Ausbildung
Die IG Metall ist die größte Einzelgewerkschaft in Deutschland und hat das Thema Demokratieförderung in die Tarifverhandlungen aufgenommen.
So wird sichergestellt, dass Aspekte wie Mitbestimmung, Partizipation und demokratische Bildung in den Ausbildungsplänen verankert sind.
Zusätzlich organisiert die IG Metall überbetriebliche Workshops und Seminare, in denen Azubis aus verschiedenen Unternehmen zusammenkommen, um demokratische Prozesse zu erleben und zu gestalten.
Fazit: Demokratieförderung ist eine gemeinsame Aufgabe
„Das Thema ist eines, bei dem wir Unternehmen nicht in Konkurrenz stehen. Lasst uns in den Austausch gehen und es gemeinsam treiben.“
(Hanno Giesecke, Continental)
Demokratie beginnt nicht in Berlin – sie beginnt in den Betrieben, in den Pausenräumen, in den Meetings. Unternehmen, die das Thema ernst nehmen, investieren nicht nur in die Gesellschaft, sondern auch in ihre eigene Zukunft.
Denn wenn Demokratieförderung in der Ausbildung konsequent umgesetzt wird, profitieren alle: die jungen Menschen, die Unternehmen – und letztlich die gesamte Gesellschaft.
„Man muss keine Angst vor diesem großen Thema haben. Es reicht schon, einfach mal die Auszubildenden zu fragen: Was bewegt euch? Was ist euch wichtig? Und dann ins Gespräch zu kommen.“ (Jan Wilde, IG Metall)